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Das Gegenteil von Einsamkeit

Kinder, an Tagen wie diesen an denen die Süddeutsche Zeitung die Frage zum Sonntag mit den Worten „Zählt Einsamkeit zu den Grundvoraussetzungen für wahre Empfindung?“ durchaus provokant proklamiert drängen sich mir gleichermaßen direkt mehrere Fragen auf von denen die erste zuerst einmal eine Gegenfrage zur Fragestellung der SZ darstellt: Wie genau lässt sich Einsamkeit definieren? Dicht gefolgt von der Ausforschung: Und wenn diese so genannte Einsamkeit die Grundvoraussetzung für wahre Empfindung ist, was empfinden die Menschen die niemals allein sind?

Bis heute ins absolut modernste aller modernen Zeitalter scheint es noch immer als Makel zu gelten wenn man allein ist. Und mit allein meine ich in diesem Kontext alleinstehend. Single. Ohne festen Partner. Hui. Skandalös. Wie kann sie nur. Ist das denn die Möglichkeit? Wie konnte das passieren? Und was stimmt nicht mit ihr? Oder in anderen Worten: „Könntest Du bitte an anderer Stelle auf das Thema Partnersuche eingehen? Wir sind alle mit unseren kleinen Kindern hier. Das Thema ist gerade wirklich mehr als unpassend. Vielleicht könntest Du mir anstatt dessen lieber die Feuchttücher aus der Windeltasche da drüben geben und Dich heute Abend einfach in irgendeine Bar setzen und warten bis einer kommt und Dich anspricht. So schwer kann das ja wohl nicht sein.“

Dass es so einfach nicht ist wird oft und gerne vergessen, denn diejenigen die sich im sicheren Hafen ihrer Beziehung wissen, oder wähnen, haben oftmals kaum noch eine Vorstellung davon wie es in der rauen Welt von „Ich suche einen Mann für’s Leben“ zugeht. Geschweige denn, was man teils über sich ergehen lassen muss wenn man sich doch mal wieder an den Rand des Haifischbeckens wagt und lediglich einen kleinen Finger ins Wasser hält. Da gibt es selten einen Hai der nicht nur gleich nach der ganzen Hand schnappt, sondern diese gerne auch direkt abbeißt wenn man so dumm ist und gerade mal nicht aufpasst. Denn wenn schon Frischfleisch, dann bitte keine Häppchen sondern gleich den ganzen Appetithappen.

Aus diesen und anderen Gründen habe ich mir nun also erst mal eine Auszeit vom Daten genommen und trotz dessen, dass ich nahezu abstinent lebe, komme ich nicht umhin festzustellen, dass die Welt auch ohne dass ich es mir aus nächster Nähe unter die Nase reiben lassen voller Scharlatane ist. Und das Wort Scharlatan ist fast noch zu freundlich um es in diesem Kontext zu benutzen.

Aber bevor ich wieder einmal vom hundertsten ins Tausendste komme will ich die Gunst der Stunde nutzen und meine Wäsche aus dem Trockner holen. Ach, nein, das auch, ja, aber eigentlich will ich die Gunst der Stunde nutzen um einen besonders wildgewordenen Hans-Dampf-in-allen-Gassen zu zitieren, der mit diesem kurzen Text unter seinem Profilbild die Online-Dating-Welt aus den Fugen zu bringen versucht:

„Note: Bild fungiert als Platzhalter da ich verheiratet bin.“

Ah, ach so, ok, und wie genau stellst Du Dir das nun vor? Soll ich mich jetzt bei Interesse nicht nur auf ein Blind Date mit Dir treffen sondern im erweiterten Sinne ein Blind Date mit einem verheirateten Mann vereinbaren weil ich nicht weiß was ich vor lauter Langeweile sonst mit meinem Leben anstellen könnte? Bist Du der Sugar zu meinem Spice? Wer antwortet denn auf so was? Wer verabredet sich denn mit diesem dubiosen Typen? Und was passiert denn da bloß alles im Internet? Oder bin ich es die nicht mit der Zeit geht und am Ende gar diejenige, die übersehen hat, dass blinde Verabredungen mit verheirateten Männern heute das Kleine Schwarze der Dating-Szene sind? Macht man das jetzt so?

Vielleicht wurde mit der Erfindung des Internets die natürliche Hemmschwelle des Menschen so weit herab gesetzt, dass es kaum noch Menschen gibt, denen irgendetwas peinlich geschweige denn unangenehm ist.

Man kann es drehen und wenden wie man will, aber ein Scharlatan bleibt ein Scharlatan. Und Kinder, Ihr dürft mir glauben, ich kenne einige von dieser unlauteren Sorte. Ein weiterer, diesmal ein mir bekannter Scharlatan, tat gerade kürzlich wieder einmal einiges um sich seinen unschönen Beinamen zu erhalten. Und fügte selbst dann während er sich selbst regelmäßig mit seiner Wieder-Ehefrau in den sozialen Netzwerken postet schnell mal ein paar neue Bilder beim eigenen scheinbar heimlichen Online-Flirt-Portal hinzu. Selbstredend ist die besagte Wieder-Ehefrau nicht mit auf den Bildern drauf beziehungsweise wurde sie herausgeschnitten. Witzig, wenn man das Original kennt. Noch witziger wenn man die Wieder-Ehefrau kennt. Am witzigsten wenn der Scharlatan bis vor kurzem eindringlich an der Vertiefung einer alten, nennen wir es mal, besonderen Freundschaft mit einem interessiert war weil die Wieder-Ehefrau da auf einmal gerade nur mehr die Noch-Ehefrau war. Und am allerwitzigsten, wenn man während dieser Zeit alles, aber auch wirklich alles über die Noch-/Wieder-/Was-auch-immer-Ehefrau erfahren hat weil der Scharlatan allerdringendsten Redebedarf hatte. Das waren Themen, Kinder, da hätten Euch nicht nur die Ohren sondern auch die Schamlippen und Vorhäute geschlackert!

Wenn ich nun also diese neu hinzugefügten Bilder auf dem Online-Profil des Scharlatans sehe, dann muss ich vor allem eins: mich herrlich amüsieren. Allerdings dicht gefolgt von der Frage ob mit solcherlei Scharlatanen eigentlich irgendetwas nicht stimmt oder ob am Ende ich es bin die von der Dating-Szene partout keine Ahnung hat? Wobei das eine schlichtweg nichts mit dem anderen zu tun hat.

Himmel hilf! Was ist nur los mit der Welt? Oder war das gar mehr schon immer so?

Wahre Empfindung? Ja. Ich empfinde Verachtung für solcherlei Veröffentlichungen in Online-Dating-Portalen. Und ich empfinde Verachtung für das mit Füßen treten und ausnutzen von Freundschaften, für das nicht einhalten von Versprechungen, für Vertrauensbrüche, für das Vortäuschen falscher Tatsachen. Denn manchmal ist all das bereits ein Stück weit auch Verrat.

Ob das nun mit Einsamkeit zu tun hat? Ich glaube nicht. Vielleicht habe ich jedoch an manchen Tagen an denen ich allein bin mehr Zeit darüber nachzudenken und mehr Zeit enttäuscht und wütend zu sein und bin meinen wahren Empfindungen somit vielleicht sehr viel näher als Menschen in Partnerschaften die ständig miteinander sind und somit gar nicht die Zeit haben sich einmal zu überlegen was sie eigentlich gerade empfinden. Und warum. Ob ich neidisch darauf bin? Immer mal wieder. Ständig so nah an den eigenen wahren Empfindungen dran zu sein ist furchtbar anstrengend. Und nicht immer jemanden zur Seite zu haben mit dem man direkt über die gerade stattfindenden eigenen Empfindungen sprechen kann lädt zwar durchaus zur Reflektion und Selbstanalyse ein, aber manchmal ist es eben auch schön, wenn einfach jemand da ist.

Und dennoch, wenn man es anders herum betrachtet, so weiß ich wer ich bin und warum ich so bin und kann mich selbst immer besser kennenlernen. Das macht nicht jeden Tag Spaß, aber ich kann mir beim besten Willen auch nicht vorstellen dass das Leben auf der anderen Seite der von der Süddeutschen Zeitung proklamierten Einsamkeit jeden Tag Spaß macht. Auch wenn die Werbung, viele Prominente, die katholische Kirche, nahezu alle Menschen in Beziehungen und jeder Pfarrer bei sämtlichen Hochzeiten uns das weismachen wollen.

Wenn ich irgendwann wieder daten gehe, so hoffe ich dennoch, dass es auch irgendwo einen Nicht-Scharlatan gibt. Ohne dass ich zum Blind Date ohne Bild mit einem verheirateten Mann muss. Und ebensowenig ohne dass ich mich mit Männern treffen muss, die ihre Ehefrauen aus ihren Profil-Bildern herausgeschnitten haben. Ich hoffe nur, dass ich ihn erkenne wenn er vor mir steht. Und im selben Moment weiß wie ich ihn für mich gewinnen kann. Aber alles weitere sehen wir dann. Und im Ernstfall habe ich immer noch mich selber.

Und so können wir, in welchem Konstrukt wir auch leben, doch immer nur das Beste aus allem machen. Und Alleinsein nicht als Makel ansehen, sondern vielmehr noch als diese so benannte Grundvoraussetzung für wahre Empfindung. Denn wer allein ist lernt sich selbst besser kennen, und manchmal bin ich gewillt zu denken, dass es grundsätzlich keine schönere und elementarere Beziehung gibt als eben genau die zu mir selbst. Und wer allein ist, kann sich ganz hervorragend um diese ganz besondere Beziehung kümmern. Und das bedeutet so was von NICHT zwangsläufig, dass Alleinsein mit Einsamkeit gleichzusetzen ist. Überhaupt gar nicht und auf gar keinen Fall. Punkt. 

Am Ende ist das Gras auf der anderen Seite immer grüner. Aber auch im eigenen Garten macht das Sonnenbaden Spaß. Und Unkraut, ja, Kinder, Unkraut, das wächst trotz Jäten überall.

In diesem Sinne: Enjoy the ride, lovers. There’s something good in everything. Always.  

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