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Zu heiß in Tinder-Wasser gebadet

Kinder, in Zeiten in denen der einzige Unterschied zwischen Tinder und Grinder offenbar in der sexuellen Ausrichtung besteht frage ich mich immer öfter warum ich mir nicht schon eher den Rat meiner verzauberten Freunde zu eigens gemacht habe. Deren weise Worte zu befolgen hätte mir sicher nicht nur das ein oder andere Abmühen sondern auch daraus resultierende Enttäuschungen erspart. Nicht umsonst wünscht sich fast jede Frau in der westlichen Hemisphäre einen schwulen besten Freund. Und das wahrscheinlich aus dem einfachen Grund weil die Ausdrucksweise der homosexuellen Männer oftmals ohne lange Umschweife zu genau dem Punkt führt den ich selbst in weitschweifigen Erklärungsgesuchen nicht auszusprechen wage. Oder anders gesagt: Ich glaube ich bin oft viel zu nett.

Da ich leider nicht Samantha Jones heiße gehe ich stark davon aus, dass dieses angepasste Nett-sein seinen Ursprung mir größtmöglicher Sicherheit in meiner Erziehung hat. Schon von klein auf wurde mir schließlich eingeimpft wie ich mich zu verhalten habe und dass ich nur dann etwas bekomme wenn ich lieb und artig bin und immer brav bitte und danke sage. Doch nicht umsonst entstand irgendwann eine tumultartige Gegenbewegung mit dem Leitmotiv „Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse überall hin.“ Und gerade in Zeiten des Internet-Datings scheint es mir ratsam mich dessen zu entsinnen, denn im Ernstfall bringt mich diese Betrachtung vor allem weg vom Date und raus aus der Situation.

Was aber wenn’s so einfach nicht ist?

Gerade erst kürzlich und wider meiner mir selbst anberaumten Dating-Pause war es ums erneute Mal „Meet the Scharlatan of the Week“- Nacht und ich machte mich trotz besseren Wissens auf den Weg ins Ungewisse. Hätte ich mich doch im Vorwege bloß noch einmal an die Merksätze meiner verzauberten Freunde erinnert! Dann wäre ich hocherhobenen Hauptes aus der Angelegenheit rausspaziert und hätte mich nicht im Nachhinein gefragt welche Gruselfaktor-Bezeichnung dieses Stell-Dich-Ein in einem Wort am besten beschrieben hätte.

Sodenn fuhr ich mit wehendem Haar auf meinem Fahrrad hinaus in die untergehende Sonne und traf mich mit einem Mann der mich in Jogginghosen mit den Worten begrüßte: „Ich habe mich auch extra schick gemacht für Dich.“ Äh, ja. Gut, dass ich mir die Haare geglättet hatte, wie hätte ich ahnen sollen, dass wir uns casually underdressed treffen würden. Stand so jedenfalls nicht in den AGBs. Da ich die jedoch auch nicht eingehend studiert hatte, konnte es natürlich sein, dass ich da was überlesen hatte.

Wie dem auch sei, so ignorierte ich den ach so lustigen Scherz geflissentlich und wir machten uns auf zu einem entspannten Abendspaziergang. Zu Beginn verstanden wir uns recht gut, kamen flugs von Pontius zu Pilatus, bogen über X nach Y ab und landeten schließlich bei den unvermeidlichen schlechten Scharmützel-Erfahrungen um die scheinbar kein Online-Dating-Aspirant so richtig drum herum kommt.

An dieser Stelle jedoch hätte ich aufmerksamer sein und meine viel zu stark ausgeprägte nette und freundliche Seite in den Hintergrund verbannen müssen, denn der Junge begann mittenmang ordentlich vom Leder zu ziehen. In zunehmender Rasanz wurde mir immer deutlicher bewusst, dass hier ein zu heiß in Tinder-Wasser gebadetes Kind einen Weg suchte sich all seiner angestauten Wut und Enttäuschung Luft zu machen. Dabei kam er nicht nur vom hundertsten ins tausendste, sondern wischte gleichsam meine noch immer viel zu höflichen Bemühungen in wohlwollendem Ton mit ihm über seine Erlebnisse zu sprechen mit abwertender Geste vom Tisch.

Schon längst hätte ich rufen müssen „Paris, Athen, auf Wiedersehen! Ciao, ciao, bye, bye, zack, zack, weg!“ doch ich verfiel ums erneute Mal in mein altes Muster der stark ausgeprägten Anteilnahme und dem damit einhergehenden Wunsch Verständnis zu zeigen und Hilfestellung zu leisten. Dass das oftmals und besonders auch in diesem speziellen Zusammenhang gar nicht meine Aufgabe ist fällt mir leider viel zu oft erst hinterher ein.

Genauso wie ich mich auch erst hinterher an die Reaktionen meiner verzauberten Freunde erinnern kann. Die hätten allesamt schon bei der Nummer mit der Jogginghose reagiert mit den Worten: „Ich denke, wir wissen beide, dass das keinen Sinn hat. Mach’s gut.“ Und spätestens beim wutschnaubenden Lamentieren hätten sich meine schwulen Jungs mit einem „Sorry, aber das wird nichts. Wir brechen das hier jetzt besser gleich ab.“ in die Nacht verabschiedet.

Dafür war ich zu doof.

In dem irrwitzigen Glauben dass in jedem Menschen auch ganz viel Gutes steckt und man manchmal warten muss bis das zum Vorschein kommt hörte ich bis zum Ende zu und versuchte mehr noch mit viel Verständnis auf seine „Alle-Frauen-demütigen-mich“- Situation einzugehen. Doch wieder einmal hatte ich mit Zitronen gehandelt! Denn anstatt dessen dass ich für meine Freundlichkeit und meine Mühen mit gleichwirkendem Wohlwollen belohnt wurde, holte er am Ende eine gut in der Jogginghose versteckte Peitsche aus dem Sack und knallte sie mir unvermittelt um die Ohren: „Du bist echt ein süßes, liebes Mädel, aber... nee. Komm’ gut nach Hause. Ciao.“

Äh, ja.

Ich weiß, ich wiederhole mich. Aber was anderes fällt mir noch immer nicht ein. Ohne es definitiv zu wissen aber so dass ich es schon eher hätte ahnen können, also shame on me, hatte ich mich von dem durch Herabwürdigungen geplagten Hans-Dampf-in-allen-Tinder-Gassen benutzen lassen damit auch er endlich mal eine Frau so richtig geil erniedrigen kann. War ja schließlich auch an der Zeit, irgendwann musste er ja mal zurückhauen. Und wem kann man besser so richtig gut ins Gesicht schlagen als einer Frau die freudig beide Wangen hinhält. Ich bin so dumm.

Aber da ich mich gerade erst habe demütigen lassen sollte ich davon absehen mich selbst noch weiter herabzusetzen. Anstatt dessen kann ich genau diese Situation nutzen um daraus zu lernen. Und so kann ich mir auf der Suche nach dem Selbstwert bei den Verzauberten sicher nicht nur noch einiges abgucken, sondern auch auf mein Gefühl hören. Und zwar dann wenn es mir schon zeitig mitteilt, dass es besser wäre zu gehen. Sicher hat jeder Mensch auch gute Seiten, aber wenn ich so hart darum kämpfen muss sie überhaupt sehen zu dürfen, dann ist das ein Widerstand den ich vielleicht gar nicht erst ausfechten muss.

Und vielleicht war’s das jetzt auch wirklich mit den schlechten Dates und ab jetzt treffe ich nur noch tolle Typen. Warum sollte es nicht so sein. Nach so vielen zu heiß in Tinder-Wasser gebadeten Jungs müssen sich doch auch irgendwo die richtigen Kerle verstecken. Mit denen ich mich durchaus auch gerne über schlechte Erfahrungen auf Online-Plattformen unterhalte aber mit denen es sicher auch eine Menge anderer illustrer Themen zu besprechen gibt. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, ganz im Gegenteil, jetzt geht’s erst richtig los. Und für den Ernstfall schreibe ich mir die Worte meiner schwulen Freunde in die Handinnenflächen damit ich auf den Spickzettel schauen kann wenn’s wieder mal ausartet und mich rechtzeitig verabschieden kann mit den Worten: „Sorry, aber das wird nichts. Wir brechen das hier jetzt besser gleich ab.“

In diesem Sinne: Allow every situation in life to teach you. Have an outrageously beautiful tuesday, lovers! Enjoy.

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