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Ich tu's!

Kinder, was ist das Leben ohne zu leben? Wie bitte, werdet Ihr sagen, was will sie denn jetzt schon wieder? Und wäre es nicht wesentlich einfacher zu fragen: Was ist eigentlich Deine Lieblingsfarbe? Welche Musik hörst Du gerne? Und fühlst Du Dich in Turnschuhen wohler oder in High Heels? Nein, wäre es nicht. Und das ist meine klare Antwort dazu. Und zwar so klar, dass ich dabei bleiben werde. Denn wohin kämen wir wenn wir nicht auch einmal näher hinterfragen würden, weiter gehen würden, obskure Nachforschungen anstellen würden? Nirgendwohin. Und, Kinder, wie doof wäre das denn? Denn ist das Leben nicht viel zu bunt fürs nirgendwo?

Und so habe ich, vielleicht ein wenig inspiriert durch den Roman von Chiara Gamberale „Das 10-Minuten-Projekt“ mit meinem ganz eigenen Projekt begonnen. Ich probiere jetzt jeden Tag etwas Neues aus. Etwas das ich so noch nicht gemacht habe, vielleicht ein Produkt, das ich noch nicht benutzt habe, ein Gericht, das ich noch nicht probiert habe, eine Strecke die ich noch nicht gegangen bin, einen Sport den ich noch nicht gemacht habe, eine Schminktechnik die ich noch nicht kenne, ein Rezept nach dem ich noch nicht gebacken oder gekocht habe, ein Getränk das ich noch nicht getrunken habe, ein Restaurant das ich noch nicht besucht habe, ein Gewürz das ich noch nicht benutzt habe, einen Spaß den ich mir noch nicht erlaubt habe, ein Lied das ich noch nicht gehört oder mitgesungen habe, eine Zeitschrift die ich noch nicht gelesen habe, eine Bar von der ich noch nichts gehört habe, einen Mann den ich noch nicht geküsst habe, ein Ort an dem ich noch keinen Sex hatte, etwas Wohltuendes das ich mir bisher nicht gegönnt habe, Ihr wisst schon, das übliche eben. Das was man eben so macht. Ich zumindest. Und das ließe sich bis ins Unendliche forterzählen. Es gibt so viele Beispiele für erste Male, und es gibt so viele kleine Kleinigkeiten bei denen man ansetzen und sie zum ersten Mal anders machen kann.

Aber auch dazu gehört natürlich wieder einmal eine große Portion Mut. Denn es ist so viel einfacher jeden Tag das gleiche zu tun und nicht darüber nachzudenken wie wir es anders machen könnten, ob wir etwas ausprobieren könnten, das wir noch nicht kennen, ob wir mutig sind und etwas wagen oder ob wir alles in der gleichen guten alten Sicherheit belassen die uns vertraut ist und die uns damit auch keine Angst einflößt. Denn wer hat schon Lust auf Angst? Angst kann uns lähmen und uns einfrieren lassen, Angst kann uns Sorgen bescheren und uns zusätzlich in immer neue Sorgen versetzen, Angst kann uns Energie und Lebensfreude nehmen, nämlich dann wenn sie so groß wird dass wir nicht mehr handlungsfähig sind. Und wenn diese Art der Angst eintritt, dann ist es oft schon fast zu spät. Denn sich aus dieser Starre, aus dieser Lethargie, aus diesem Schockzustand herauszubewegen, das erfordert sehr viel mehr als im Moment zu bleiben und ein wenig Mut um neue Dinge auszuprobieren.

Und aus diesem Grund wage ich es bereits jetzt. Ich tu's. Ich beginne mit den mutigen Schritten bevor ich mich so weit eingerichtet habe, dass es mir schwer fällt mich daraus heraus zu bewegen. Und ich glaube dass es für mich hilfreich ist in kleinen Schritten zu beginnen um dann vielleicht irgendwann die Dinge zu wagen die ich momentan noch nicht wage, die ich bisher auch noch nicht ausprobiert habe, die ich vielleicht aber schon lange brenne zu tun, und da steter Tropfen den Stein höhlt, ist das jetzt eigentlich eine Phrase?, egal!, kann ich mir vorstellen, dass ein kontinuierliches Üben dazu führen kann auch insgesamt mutiger zu werden und viel öfter etwas zu versuchen das mir bisher nicht bekannt ist, das ich mir aber vorstellen kann zu wagen, weil es toll sein könnte, weil es schön sein könnte, weil es Spaß machen könnte, weil es mein Herz und mein Gemüt erfrischen könnte, weil es mich intensiver leben lässt.

Und wenn nicht, ja, was dann? Ach Kinder, das kann ich Euch sagen: dann habe ich es zumindest einmal probiert. Denn wie heißt es so schön: Man bereut nur was man sich nicht getraut hat.

Nicht, dass dann automatisch alles gut geht, nein, natürlich auch das nicht. Aber darum geht es vielleicht auch gar nicht.

Und so habe ich kürzlich ein neues Make-up ausprobiert und dachte mir nicht nur, dass das bestimmt super wird, nein, ich habe mich auch diebisch darauf gefreut etwas wild-verruchtes zu tun! Denn bei der Schminke handelte es sich um eine angeblich vereinfachte Variante um die berühmt-berüchtigten Smokey Eyes mega easy ohne großen Aufwand selbst zu schminken, quasi ohne dafür einen Make-up-Artist buchen zu müssen und trotzdem unwiderstehlich auszusehen. Und so griff ich beherzt zur Wunderwaffe für alle ausgefuchsten Schminkfreunde mit dem Produktnamen „Dancing the Night away“ und beim nächsten Ausgeh-Abend mit meiner besten Freundin malte ich mir die Augen nach Herzenslust und wilder Laune den Anleitungen entsprechend an. Nun gut, Kinder, sagen wir, ich versuchte es zumindest.

Denn das vermaledeite Ergebnis ließ nicht nur zu wünschen übrig, ich sah einfach nur total bescheuert aus. Wie ein fetter Panda, der die ganze Nacht durchgeheult hat weil er so dermaßen auf die Fresse bekommen hatte, dass er nicht nur mit einem sondern leider sogar mit zwei blauen Augen davon gekommen war. So ein Mist.

Aber im Zuge des jeden-Tag-etwas-Neues-Ausprobierens ging ich trotzdem mit meiner Freundin aus und wagte mich mit diesem missglückten Schmink-Experiment in die Clubs und auf die Tanzflächen der Stadt. Warum auch nicht? Was sollte schon passieren? Und was konnte ich wissen was passieren würde?

Nun, erst mal irgendwie gar nicht so furchtbar viel. Zumindest nicht in den kommenden Stunden. Meinen Traummann habe ich in dieser Nacht jedenfalls nicht kennen gelernt. Was natürlich auch daran liegen könnte, dass wir auf dem Kiez waren. Und wieso sollte man dort seinen Traummann kennenlernen? Nicht dass wir jemals auslernen würden, und dieser Möglichkeit berauben will ich mich auch nicht, aber ich gehe zumindest nicht allzu stark davon aus, dass er auf dem Hamburger Berg, am Hans-Albers-Platz oder in der Rutsche auf mich wartet. Aber wer sagt mir dass ich das wissen kann. Denn es gibt so furchtbar viele Dinge die wir einfach nicht wissen können.

Auf der Rückfahrt im Morgengrauen wurde es trotz verprügeltem-Panda-Make-up dann auf einmal bunt denn ein interessierter junger Mann wollte nicht nur den Heimweg im selben Bus mit mir teilen sondern sogar die gleiche Sitzbank. Warum eigentlich nicht, ich gestand sie ihm zu und wir plauderten so munter, dass er seine Haltestelle links liegen ließ um sich noch weiter mit mir zu unterhalten. So lange bis er irgendwann merkte, dass er vielleicht doch ein wenig zu tief ins Glas geschaut und nicht genug Weißbrot gegessen hatte um den Alkohol aufzusaugen. Ich meine, das lernt man doch mit 15,16!! Wo hat der denn seine Jugend verbracht? Wie dem auch sei, der junge Mann wurde bleich im Gesicht und erklärte mir, dass ihm übel sei, ich erklärte ihm, dass er aussteigen müsse, und das tat er dann auch, ob er wollte oder nicht. Einem Mann der seines Zeichens und seiner Aussage nach zumindest so was wie ein halber Profi beim FC St.Pauli ist hätte ich sicher mehr zugetraut, aber er kannte den Weißbrot-Trick wohl einfach nicht. Dennoch habe ich habe an dieser Stelle ums erneute Mal etwas Neues getan: ich bin nicht mit ausgestiegen. So nett er auch war. Aber eben nicht mehr um jeden Preis. Vor nicht allzu langer Zeit hätte ich sicher noch versucht ihn zu retten, aber erstens ist das nicht meine Aufgabe, und zweitens kann ich das auch gar nicht. Zu gerne denken wir immer wieder wir könnten andere retten, aber das ist ein Trugschluss. Retten können wir nur uns selbst. Und so bin ich sitzen geblieben und nach Hause gefahren. Ganz allein. Und das fühlte sich gut und richtig an.

Zu Hause habe ich dann als erstes dieses unfassbar schreckliche Make-up von meinen Augen abgewaschen und hätte nicht zufriedener sein können. Ich sah wirklich furchtbar bescheuert aus, und dennoch habe ich mich herrlich über mich selbst amüsiert. Und allein das war der Spaß so was von wert!

Und es geht weiter. Jeden Tag eine neue Sache. Während ich im letzten Jahr jeden Tag einen Zettel für etwas für das ich dankbar bin in mein Dankbarkeitsglas gesteckt habe bin ich dieses Jahr so weit dass ich in dem Moment in dem ich Dankbarkeit für etwas empfinde auch dafür dankbar bin. Und mich an mein neues Projekt wage. Gerade habe ich mir das erste Mal einen Termin bei einem mir bisher unbekannten Friseur in einem mir bisher unbekannten Friseursalon gemacht. Das darf meine Friseurin natürlich nicht erfahren, und es liegt auch nicht an ihr. Sie ist meine Lieblingsfriseurin auf der ganzen Welt. Aber da ich nun mal einfach nicht mehr in meiner Heimatstadt wohne und sie dort ihren Friseursalon hat ist es auch hier an der Zeit endlich loszulassen und etwas Neues auszuprobieren. Und da es beim Ausprobieren von neuen Dingen auch ums Loslassen von alten Mustern geht musste ich das tun. Und bin schon jetzt ganz gespannt wie mein Termin bei meinem neuen Friseur am kommenden Dienstag wird.

Und noch etwas habe ich zum ersten Mal gemacht. Ich habe Ostern einfach mal nicht gefeiert. Warum auch? Steht das irgendwo im BGB das man das tun muss? Anstatt dessen habe ich die Zeit mit meiner besten Freundin genutzt um neue lustige Dinge zu unternehmen. Nach einem Nachmittag mit vielen verrückten Späßen waren wir in einem mexikanischen Restaurant das wir bisher noch nicht kannten. Und da wir viel zu spät waren mussten wir mehrfach dort anrufen und unsere Reservierung nach hinten verschieben. Und weil das so peinlich war haben wir uns schließlich als Touristen aus Nürnberg ausgegeben. Einfach damit die gar nicht erst schlecht von uns denken können, bei Touristen drückt man doch schließlich mal ein Auge zu. Tja, und wisst Ihr was dann passiert ist? Wir hatten trotz Regen, Sturm und Zuspätkommen den größten Spaß den man sich gar nicht erst vorstellen kann und haben nicht nur Unmengen von Chips und Salsa aufs Haus bekommen. Sondern auch zwei Telefonnummern. Und die Option auf ein Wiedersehen sollten wir mal wieder in der Stadt sein. Wie erfrischend verrückt sein kann merkt man manchmal erst dann wenn man es tut. Und aus diesem Grund plädiere ich für mehr Verrücktsein und zwischendurch auch immer wieder mal das nicht-einhalten von sogenannten Regeln. Denn diejenigen die sie aufgestellt haben wussten sicher auch nicht was sie tun.

Busen oder Po? Ich wähle heute beides. Warum auch nicht. Wer hat der hat, wer kann der darf, wer will der möchte. Wer Dates mit Polizisten, Feuerwehrmännern, Models, Schauspielern und sogar mit einem Pastor haben kann, der kann auch den Friseur wechseln. Und nicht nur das. Denn ich mache auch weiterhin in jeglichen anderen Bereichen jeden Tag etwas Neues. Schon mal Sex in der Küche gehabt? Enjoy, lovers! It’s much more fun to break out of daily routines than you might think. It keeps us alive. It truly does. Have a very happy monday, lovers!

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