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Ausgemustert

Kinder, Ihr kennt es, ich kenne es, die Frage ist: wer kennt es nicht? Wie oft stehen wir verzweifelt vor dem Kleiderschrank, vor Kommoden, Kisten, Kästen, Schubladen, noch immer nicht ausgepackten Tüten und Verstecken, die keiner jemals zu Gesicht bekommen darf, und reißen alles raus auf der bangen Suche nach einem passenden Kleidungsstück oder viel schlimmer noch nach einem ganzen passenden Outfit! Und so viel wir auch aus sämtlichen Stauräumen herausziehen und nach kurzem Zweifeln doch schnell wieder aufs Bett oder auf den Boden werfen, irgendwie gibt es immer wieder, und ich betone: IMMER WIEDER! Tage an denen wir so gar nichts finden wollen was zu unserer aktuellen Stimmungslage, zu unserem Gemüt, zur Situation, zum Anlass oder auch einfach nur insgesamt passen will. So ein Dilemma! Und wie kann das eigentlich sein? Oder gibt es dazu vielleicht gar keine logische Erklärung? Gibt es die vielleicht zu vielerlei Dingen, so sehr wir auch suchen und uns den Kopf darüber zerbrechen, manchmal einfach nicht?

Doch bevor ich wieder einmal abschweife und beginne Logik mit dem eigentlichen Leben zu vergleichen, möchte ich eine ganz andere Sache näher beleuchten. Wir bleiben bei Klamotten. Ich meine, ist ja schließlich auch ein wichtiges Thema. Denn manchmal auf der Suche nach dem richtigen Outfit und gerade dann wenn es besonders drängt und man vielleicht aus diesem Grund noch tiefer in sämtlichen Errungenschaften der Vergangenheit wühlt, kommen Kleidungsstücke zu Tage, die man voller Freude wie einen alten Freund, den man lange nicht gesehen hat, ich meine, vielleicht war er ja im Ausland, begrüßt und sich überlegt wann man dieses wunderschöne Teil das nächste Mal ausführen könnte, denn just in diesem Moment will es dann gerade einfach nicht zum Anlass passen.

Aber, und das fand ich zuletzt das Spannende, was wenn man über Kleidungsstücke stolpert die einem so gar nicht mehr gefallen, die man aber aus Gründen des sich-nicht-trennen-könnens oder des nicht-loslassen-könnens nie ausgemustert oder vielleicht sogar gleich wieder zurückgegeben hat?

Kürzlich habe ich ein Kleid gefunden und habe noch gedacht „Was wollte ich denn damit bloß?“ und dann habe ich es trotzdem noch mal anprobiert, weil ich ja sicher einen guten (?) Grund hatte es mir zu kaufen. Irgendwas muss ich daran ja schließlich toll gefunden haben, irgendwas an diesem Teil hatte sicher einen Reiz für mich, sonst hätte ich es schließlich nicht erworben. Aber als ich dieses Kleid dann anprobiert habe, habe ich gemerkt, dass es mir zwar vielleicht noch passt, aber es steht mir einfach nicht mehr. Ich habe mich verändert.

Dass ich das nicht von ganz alleine merke, nun gut, aber manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen eben nicht mehr. Dass ich dazu meine alten Klamotten brauche, gut, das wiederum ist irgendwie komisch, wenn auch nicht zum Totlachen. Und irgendwie passt es auch zu mir. Denn wie Ihr wisst liebe ich Metaphern. Diese hier würde ich nicht lediglich als eine solche bezeichnen, denn sie ist von echter Realität. Aber natürlich gibt es auch hier Parallelen zwischen der Feststellung dass Kleidungsstücke nicht mehr das mit mir machen und mich nicht mehr mit der gleichen Freude erfüllen wie zu dem Zeitpunkt als ich sie gekauft habe.

Und aus diesem Grund ist es wichtig auch in anderen Bereichen immer wieder genauer hinzuschauen. Tut eine Sache noch etwas für mich? Passt mir das Kleid noch? Steht mir der Pullover immer noch so gut wie ich einmal dachte? Und wieso fand ich diesen Schriftzug, dieses Muster, diese Patches eigentlich gut, und wann genau war das? Und aus welchem Grund?

Tja, in solchen Fällen würde ich gerne leichtfüßig Busen oder Po in den Raum rufen um die Situation ein wenig zu entschärfen, aber selbst darauf hätte ich heute keine klare Antwort.

Wenn ich dieses Kleid das ich auf der Suche nach dem perfekten Outfit wieder entdeckt habe also nicht anprobiert hätte, hätte ich gar nicht herausgefunden, dass es mir vielleicht nicht nur nicht mehr steht, sondern vielmehr noch, dass es mir auch gar nicht mehr gefällt. Wie oft lassen wir Dinge weiterhin zu ohne zu merken, dass sie uns gar nicht mehr stehen sondern vielleicht auch gar nicht mehr gut tun? Einfach weil wir sie eben im Schrank haben und es viel umständlicher wäre sie auszusortieren und sie zurückzugeben? Ist der Trennungsschmerz am Ende wirklich so groß dass wir solche Angst vor dem Loslassen haben und die Sachen deswegen lieber im Schrank liegen lassen als sie in etwas umzuwandeln das uns viel mehr nützen könnte? In den Schubladen und Kommoden, wo sie uns den Platz stehlen für Kleidungsstücke die mittlerweile vielleicht viel besser zu uns passen, die wir aber nicht kaufen können, weil wir die bereits gekauften Sachen nicht umtauschen können aus Angst davor dass sie uns fehlen würden? Aber wie können sie uns fehlen, wenn wir sie eigentlich schon längst vergessen hatten und wirklich überrascht sind wenn wir sie wiederfinden? Wieso behalten wir etwas was nicht mehr die Bedeutung für uns hat wie zu dem Zeitpunkt als wir es entdeckt haben? Ist es nicht viel schöner etwas zu finden was mittlerweile viel mehr dem entspricht wer wir sind, wie wir sind und was wir vielleicht auch mit unserer Kleidung unterstreichen wollen? Oder behalten wir die alten Sachen lieber weil sie uns ja unter Umständen auch irgendwann einmal wieder gefallen könnten??

Irgendwie auch absurd, oder? Denn wenn ich sie lange nicht mehr anprobiert habe und sie mir dann auch nicht mehr gefallen wenn ich es tue, dann ist die Frage die ich mir allen Ernstes stellen muss: Worauf ZUR HÖLLE warte ich denn da eigentlich?!

Wenn ich dieses Kleid gar nicht erst anprobiert hätte, hätte ich nicht festgestellt, dass es meinem aktuellen Ich gar nicht mehr entspricht. Und vielleicht, nein, ganz bestimmt, trifft das eben nicht nur auf meine Klamotten zu.

Und so bereite ich mich auf eine folgenschwere Entscheidung vor. Auf etwas was ich so auch noch nicht gemacht habe. Aber es gibt für alles ein erstes Mal. Busen oder Po? Definitiv beides. Aber nicht mehr für Dich. Du stehst mir nicht mehr. Du hast mir nicht gefallen als ich Dich im Laden habe hängen sehen aber Du hast es geschafft mich dazu aufzufordern Dich anzuprobieren. Gestanden hast Du mir nie. Ich habe Dich schon einmal umgetauscht. Aber dann habe ich Dich in einem anderen Laden wieder hängen sehen. Und wieder hast Du alles darauf angelegt, dass ich Dich doch noch einmal anprobiere, schließlich hat das Kleid beim letzten Anprobieren doch auch wie angegossen gesessen obwohl es auf der Stange gar nicht danach aussah.

Wenn ich Dich einmal umtauschen kann, kann ich Dich wieder umtauschen. In diesem Fall sicherlich nicht mehr im Rahmen der gesetzlichen Rückgabefrist aber ich kann Dich reklamieren. Und für Reklamationen gibt es viele Gründe. Es fehlen mittlerweile nicht nur Knöpfe, auch die Fäden lösen sich an mehreren Stellen, der Stoff färbt beim Waschen ab, das Material fühlt sich auf der Haut ganz kratzig an, der Saum leiert aus und was nicht sonst noch alles. Auch wenn ich all meine Kleidungsstücke sehr mag, jedes auf seine eigene Weise, so muss ich doch einsehen, dass Du ein Fehlkauf warst. Und so lange ich Dich noch reklamieren kann, sollte ich das auch tun. Du passt nicht zu mir, und das hast Du nie. Du hast mich nur glauben machen wollen, dass Du das tust. Aber Deine Farbe stand mir nie. Das Licht in der Anprobe hat Dir und mir geschmeichelt. Aber zu Hause vor dem Spiegel ist mir klar geworden, dass wir einfach nicht zusammen passen und somit auch nicht zusammen gehören. Du hast mir vorgaukeln wollen dass wir das tun, aber ich habe beim erneuten Anprobieren gerade kürzlich zu Hause festgestellt dass ich mich habe blenden lassen. Und dass ich mir von Dir habe einreden lassen, dass Du mir stehst. Aber das tust Du nicht. Du stehst mir ganz und gar nicht. Und das hast Du nie.

In so einem Fall ist es nur gut, dass ich immer alle Kassenbons aufbewahre. Sobald ich den richtigen gefunden habe werde ich Dich reklamieren. Und was dann mit Dir geschieht liegt nicht mehr in meiner Hand.

Ich bin mir sicher Du hast Dich nichtsdestotrotz wohlgefühlt in meinem Schrank. Aber dort mache ich jetzt Platz für ein neues Kleid und vielleicht sogar gleich für ein ganzes Outfit, eines das dem entspricht wer ich jetzt bin, dem wie ich wirklich bin, einem Kleid das wirklich zu mir passt.

Auf dem Weg zum Geschäft singe ich leise „Almost Lover“ von A Fine Frenzy weil ich es mir nicht noch einmal anders überlegen will. Denn auch wenn Du nicht zu mir passt war die Zeit mit Dir auf wundersame Weise wild und gleichsam verwirrend schön. Damals als ich noch dachte Du stehst mir. Als ich mich von Dir habe überreden lassen Dich auch noch ein zweites Mal zu kaufen, obwohl Dein Stoff schon beim ersten Anprobieren gekratzt hat.

Gute Reise.

Und in diesem Sinne, Kinder, möchte ich Euch daran zu erinnern, dass auch Ihr jederzeit die Möglichkeit habt etwas umzutauschen oder gar zu reklamieren. Und wenn wir erst einmal damit angefangen haben, wird es vielleicht beim zweiten und dritten Mal gar nicht mehr so schwer uns auch beim nächsten Kleidungsstück wieder zu trennen und loszulassen. Nämlich dann wenn wir feststellen müssen, dass es sich um einen Fehlkauf handelt und wir in einem anderen Kleid viel schöner aussehen werden.

Have a very good friday, lovers. Believe in the good and believe in the possible. It is always good to know who you are and what to fight for actually. Enjoy the ride even if the road is very rocky these days. If the dress is right it will fit you always.

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