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Die Dienstagsmänner

Kinder, sowohl in der Großstadt als auch auf dem Land gibt es neben all den schönen, bunten, illustren und fantastischen Dingen auch immer wieder solche die man weder sehen geschweige denn hören oder, Gott bewahre!, riechen möchte. Allerdings kommen wir alle nicht drum herum uns auch mit den unschönen Angelegenheiten des Leben auseinanderzusetzen. Und dennoch wünschte ich manchmal es gäbe einen Knopf auf den ich drücken und der mich damit vor sämtlichen ungebetenen Grausamkeiten bewahren könnte.

Aber wäre das Leben ein Wunschkonzert, dann würde ich jetzt in New York City auf einem Roof Top mit Blick auf das Empire State Building und meine Einkaufstüten von Victoria’s Secret sitzen, einen Gin Basil Smash trinken und mich auf den bevorstehenden Sonnenuntergang über den Dächern der aufregendsten Stadt der Welt einstimmen.

Da ich jedoch vorerst in Hamburg bleiben muss, konnte ich es nicht vermeiden gerade erst wieder die Dienstagsmänner zu treffen. Ihr kennt sie nicht? Nun, ich will sie Euch gerne vorstellen. Die Dienstagsmänner sind eine Handvoll abgehalfterter Möchtegern-Adonisse, wobei man die Adonisse hierbei gut und gerne abschneiden kann. Dann würde nämlich einzig und allein Möchtegern übrig bleiben und sehr viel mehr positives lässt sich über die Chauvinisten aus der ersten Reihe rein charakterlich auch nicht sagen.

Ob sie sich wie ihre Namensvetterinnen, die Dienstagsfrauen aus dem gleichnamigen Roman von Monika Peetz, bereits seit 15 Jahren und aus einem gemeinsamen Französischkurs kennen, wage ich zu bezweifeln. Ich würde eher davon ausgehen, dass sie sich im Puff kennengelernt haben. Das soll ja auch ein schöner Ort sein wo man gemeinsam was erleben kann. Und während die Dienstagsfrauen sich einmal im Monat bei ihrem Lieblingsfranzosen treffen, gehe ich viel mehr davon aus, dass die Dienstagsmänner sich, sodenn es die Brieftaschen zulassen, so oft als möglich bei der allseits beliebten französischen Sex-Praktik im Bordell treffen. Oder zumindest direkt im Anschluss an der Freudenhaus-Bar. Um gemeinsam neu gelernte Französisch-Vokabeln zu vertiefen. Und wenn sie dann auch noch, um es ihren Namensschwestern gleich zu tun, einmal im Jahr einen gemeinsamen Wochenendtrip unternehmen, so vermag ich mir durchaus vorzustellen wo die Reise hingehen könnte.

Die Dienstagsmänner besetzen meist einen der bestgelegenen vorderen Plätze im oder vor dem Bistro, und zwar aus dem einfachen Grund weil sie von dort aus alles im Blick haben. Und das müssen sie auch, schließlich sind sie lediglich zum Vergnügen vor Ort. Mit spitzesten Lästerzungen und unflätigen Bemerkungen zu sämtlichen Themen des aktuellen Weltgeschehens mischen sie den Mittagstisch ungefragt auf und ziehen über jeden und alles her der oder das nicht niet- und nagelfest ist. Oftmals meint man, dass nur Frauen das könnten, aber ich sage es Euch, die Dienstagsmänner haben Ausdrücke drauf, da schlackern selbst Hartgesottenen die Ohren. Sodenn es ihnen nicht gelingt sie vorher zu verschließen.

Rein äußerlich sind die Dienstagsmänner gemeinhin als durchschnittlich unattraktiv zu bezeichnen. In einem vorangeschrittenen Alter in dem die Renten dank Norbert Blüm schon lange sicher und noch immer hoch sind tragen die meisten von ihnen das Haar bereits in einem satten schlohweiß wobei es bei einigen mittlerweile schon mehr oder minder schütter ist. Ihr Gebaren allerdings lässt vielmehr auf sechzehnjährige dunkel gelockte langhaarige Teenager schließen die mit Bomberjacken und falschrum aufgesetzten Cappies und Lollies im Mund auf Skateboards durch die Nachbarschaft flitzen. Doch ihre Skateboards, sofern sie je welche besaßen, haben die Dienstagsmänner mittlerweile in rüstige Altherren-Limousinen in dunkelgetönten Farben mit hellen Ledergarnituren eingetauscht. Diesen entsteigen sie weitaus weniger elegant als ihre trainierten Lästermäuler es vermuten lassen würden.

Mit ihren feingewebten farbenfrohen Cashmere-Pullovern und ihren schicken Herren-Cargohosen offenbart sich der Zwirn in den sie gewandet sind um Welten vornehmer als das Dumm Tüch das sie dem ungeneigten Zuhörer in schroffer und abschätziger Wortwahl feil bieten. Da sie dabei leider in den seltensten Fällen in gemäßigtem Tonfall sprechen sind sie ebenso selten zu überhören was ihnen jedoch mit größtmöglicher Sicherheit gefallen dürfte. Denn die Dienstagsmänner haben vor allem ein Problem: sie leider unter mangelnder Aufmerksamkeit. Diesem vielleicht nicht ganz zu Unrecht und mit Sicherheit in Teilen auch selbst auferlegten Dilemma versuchen sie mit stets gut gefüllten, nie versiegen wollenden Weißweinkaraffen und regelmäßiger Stimmbandschulung im Bistro Abhilfe zu schaffen. Erfolgreich sei dahin gestellt, aber was weiß denn ich.

So kam ich leider gerade erst kürzlich ums erneute Mal nicht umhin die echauffierten Dünnbrettbohrer in einem Wortgefecht über Homosexuelle zu überhören: „Ich dachte ich seh’ nicht richtig! Da haben sich zwei Männer geküsst. Mit Zunge!! In einem 20.15-Uhr Spielfilm! Ich hätte fast mein Abendessen wieder von mir gegeben. Wie kann man so was Abartiges um die Zeit im Fernsehen zeigen?“ – „Wie kann man so was Abartiges überhaupt im Fernsehen zeigen? Verbieten sollte man das!“ – „Die Soft-Erotik-Filme wurden früher auch erst nach Mitternacht gezeigt! Jetzt muss ich mir zum Abendessen mit Zunge küssende Männer angucken. Widerlich!“

Wenn schon das Wort zum Sonntag ausgeblieben war, so hatten die dummschwätzenden Dienstagsmänner zumindest an diesem Tage eines gesprochen. Doch sie waren nicht verlegen sich mit Anlauf und voller tropfender Widerwärtigkeit in das nächste Thema zu stürzen, so dass dieses Mal ich diejenige war die vor lauter Unwohlsein fast nicht hätte weiteressen können: „Jetzt im Sommer hat man ja auch eine gute Sicht. Was man jetzt draußen alles zu sehen bekommt! Hahahahahahaha!!“ - „Also, ich setze mich nachmittags immer an die Alster und guck’ mir die leichtbekleideten Frauen an. Sonnenbrille auf, da kann auch keiner sehen wo ich denen hingucke! Hahahahahahaha!!!“ – „Da ist es auch nicht so schlimm, dass nachts keine Soft-Pornos mehr im Fernsehen laufen. Die Frauen in Miniröcken und kurzen Hosen sind besser als jeder Erotik-Film!! Hahahahahahaha!!“

Na, wenn das witzig sein soll, dann sind Hopfen und Malz bald gänzlich verloren. Komisch, mir wird gerade etwas übel.

Ein paar Tische weiter auf der anderen Seite der Bistro-Terrasse und damit glückseligerweise außer Hörweite der chauvinistischen Dummschwätzer, was hätte das für einen Hahnenkampf gegeben!, saßen am selben Tage eine Handvoll kultivierter Damen bei einem waschechten Ladies Lunch zusammen. Ich überhörte den Großteil der weitschweifigen Dinner-Gespräche bis es auch bei den Frauen zum nicht vermeidbaren Thema „Männer“ kam. Ich war überrascht wahrzunehmen um wie viele Meilensteine in sämtlichen Lebensbereichen die Ladies dem Altherren-Verein überlegen waren. Dies äußerte sich für mich unter anderem in der folgenden Betrachtung einer der Damen die den anderen erklärte warum sie den um sie werbenden Mannsbildern nach ihrer Scheidung nicht allzu schnell nachzugeben gedachte: „Ich habe noch unzählige von diesen Männern im Schlepptau... nee!! Ich geh’ viel lieber mit Frauen essen, mit denen bin ich auf einer Ebene. Männer wollen immer nur so Spielchen spielen und eine Rolle bedienen, nee!! Das will ich nicht.“

Es schien fast so als würden hier Puzzleteile aneinander gefügt die nichts von ihrem gegenseitigen Bestehen wussten. Ob so etwas möglich ist sei nun einmal dahin gestellt, aber dieser Beitrag passte wie eine ungefragt eingeholte saftige Ohrfeige auf das unerhörte Geschwafel der Dienstagsmänner. Und mehr noch sollte die folgende Aussage die Abtrünnigkeit der Altherrenrunde untermauern die eine der lunchenden Ladies bedeutungsschwer und mit leise anmutendem Beifall in den Raum warf: „Man muss einen Mann schon lieben um mit ihm zusammen leben zu können!“

Tja, Kinder, wenn das nicht das eigentliche und nur wenige Tage verspätete Wort zum Sonntag war, dann weiß ich es auch nicht. In jedem Fall wird so auch an dieser Stelle nochmals deutlich warum die Dienstagsmänner aufmerksamkeitsheischend und tagsüber saufend das Bistro belagern: Scheinbar gibt es keine Frau die sie genug liebt als dass sie mit ihnen zusammen leben könnte. Ob die echauffierten Chauvinisten das vielleicht auch gar nicht wollen, steht sicher auf einem anderen Blatt geschrieben. Dass sie es allerdings schwer haben dürften mit den eigens kreierten Anfeindungen gegenüber Dritten und unmissverständlichen gesellschaftskritischen Ausuferungen an anderer Stelle als in ihrer eigenen Lästerrunde zu punkten wird außer Frage stehen. Denn es wird neben mir und der mittäglichen Damenrunde sicherlich noch weitere Frauen geben die nicht bereit sein würden sich dem willkürlichen Geläster der Dienstagsmänner ungefiltert hinzugeben. Und da kann ich nur eins sagen: Gottseidank.

Und wenn ich auch heute nicht New York haben kann, so kann ich doch immer noch ins Kino gehen. Und genau das habe ich nach diesem Intermezzo auch getan. In weiser Voraussicht, dass die Dienstagsmänner ihr Unwesen an anderer Stelle treiben. Aber hoffentlich nur noch so lange bis ihnen jemand das Handwerk legt. Neue Männer braucht das Land, unbedingt!, aber sicher nicht um jeden Preis. Und diese Kasperlepuppen hier braucht das Land weder dienstags noch an anderen Wochentagen.

In diesem Sinne: I’ll be seeing you out there, lovers. Have an outrageously beautiful day! Enjoy.

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