Kinder, kürzlich las ich in einem Mit Vergnügen Hamburg-Artikel mit der Überschrift „Elf Anzeichen dafür, dass Du schon echt lange in Hamburg lebst“ folgende vermeintliche Feststellung direkt auf Platz 1: „Junggesellenabschieds-Gruppen sind für dich so unerträglich wie Ina Müller.“ Das mit Ina Müller würde ich jetzt erst mal so stehen lassen, da denke ich in einem ruhigen Moment mal drüber nach, aber da ich am selben Tag innerhalb weniger Minuten über gleich vier der lustig-fidelen Vielsäufer-Vereinigungen gestolpert bin und mit einer dieser munteren Mädelstruppen eine zwanzig-minütige Busfahrt hinter mich bringen konnte, möchte ich einmal näher auf die sonderbaren Illustritäten der letzter genannten scheinbar nur halb wildgewordenen Bande eingehen. Wohlan.
Sodenn stieg ich am späten Samstagnachmittag in den Bus um mich auf meine Reise in die Ewigen Jagdgründe des sagenumwobenen Kalkbergs zu begeben. Ich fand einen Platz auf der letzten Bank und sah mich rechts und links umringt von einer fünfköpfigen Junggesellinenabschieds-Schar. Es dauerte eine Weile bis ich die zukünftige Braut ausfindig gemacht hatte, denn alle Ladies trugen nahezu identische Blumenhaarbänder in ihren unterschiedlich langen Haaren. Alle, bis auf eine. Diese hatte sich nämlich lediglich eine den Haarbändern ähnliche einzelne Blume auf den Kopf gesteckt und beim näheren Hinsehen fiel mir sodann auch gleich auf dass sie so irgendwie gar nicht in diese Reihe der freundlich dreinschauenden Mädels passen wollte. Ich meine, wer er erinnert sich nicht an das beliebte Rate-Spiel aus der Sesamstraße „Welches von diesen Dingen passt nicht in diese Reihe?“ Nun, wie Ihr seht, ich erinnere mich nicht nur daran, ich hatte auch pronto herausgefunden wer aus der Gruppe herausstach. Und irgendwie tat sie mir leid, denn sie sah nicht so aus, als ob das was heute noch passieren würde auch nur ansatzweise dem entsprach was sie selbst unter einem gelungenen Wochenende verstand.
Die unübersehbare und viel mehr noch unüberhörbare Anführerin des Junggesellenabschiedes übermittelte derweil wie ein peppiger Feldmarschall Befehle und Anweisungen an die übrigen vier Teilnehmerinnen inklusive der Braut. Letztere hatte ich mittlerweile ausmachen können. Sie trug ein weißes T-Shirt mit der unvermeidlichen „Bride to be“ - Aufschrift während die anderen vier ein schwarzes T-Shirt mit „Bridesmaid“ – Aufschriften anhatten. Wieso mir das nicht gleich aufgefallen war kann ich nicht sagen, wahrscheinlich war ich einfach zu sehr mit dem sich mir bietenden komplexen Bild beschäftigt gewesen und war mehr daran interessiert ausfindig machen zu können wie hier wer mit wem verbandelt war anstatt auf die Farbe der T-Shirts zu achten. Da allerdings drei der Ladies Jacken über ihren Oberbekleidungen trugen, war auch nicht sofort ersichtlich, dass ich die Braut hätte am T-Shirt erkennen können.
Die resolute und gleichsam strenge Reiseleitung ließ gar nicht erst die Möglichkeit aufkommen, dass hier irgendwer auch nur eine Sekunde vergessen könnte worum es bei diesem Wochenendausflug ging. Gebetsmühlenartig und in schrillem Ton wiederholte sie auf der kurzen Strecke bis zum Hauptbahnhof mehrfach was die nächsten Schritte auf der Leiter des Wahnsinns beinhalten würden und was noch alles zu erledigen wäre wenn sie im Hotel ankämen. Interessant war zu beobachten, wie sie selbst, die Hauptbrautjungfer scheinbar, viel aufgeregter und enthusiastischer war als der Rest vom Schützenfest. Selbst die zukünftige Braut verharrte vergleichsweise ruhig auf ihrem Ehrenplatz neben ihrer vermeintlichen Trauzeugin und freute sich zwar über die angekündigte Überraschung die sie im Hotelzimmer erhalten würde, hatte aber sonst nicht allzu wilden Enthusiasmus zu offenbaren.
Zwischenzeitlich wandte ich meinen Blick wieder auf die fast schon ein wenig aussätzig wirkende Einzelblumenträgerin, die sich tapfer an ihrer großen schwarzen Reisetasche festhielt. Auch ihr restliches Outfit mutete an als sei sie nicht nur in dieser Truppe nicht am rechten Ort, sondern als hätten die Amish ihr Sonderurlaub für den Junggesellenabschied ihrer Freundin gegeben und zur Feier des Tages eine Jeans, ein paar Turnschuhe und eine Quarterback-Footballer-Highschool-Jacke aus ihrem Versteck für Stadtausflüge geholt und ihr bedeutet sie müsse diese tragen um dazuzugehören.
Just in diesem Moment wurden neue Anweisungen der Haupt-Cheerleaderin laut in denen sie die anderen darüber informierte, dass sie alles was sie in den nächsten Stunden nicht brauchen würden auf dem Hotelzimmer lassen sollten. Sie sprach auch die zurückhaltende Brautjungfer die für ein Wochenende von den Amish beurlaubt worden war an und fragte direkt: „Was kann denn von Deinen Sachen im Hotel bleiben?“ Worauf die andere antwortete: „Also, ehrlich gesagt eigentlich gar nichts.“ Und die taffe Reiseleitung konterte direkt: „Dann wirst Du bis elf Uhr abends aber alles mit Dir rumschleppen müssen. Es gibt dann vorher keine Möglichkeiten mehr etwas abzulegen.“ Worauf das Mauerblümchen antwortete: „Dann ist das eben so.“
Die Arme würde also den ganzen Abend ihre riesige schwarze Reisetasche durch Hamburg tragen müssen? Wie traurig. Und wie anstrengend. Oder hatte ich schon wieder etwas übersehen und darin befand sich der Alkohol für die gesamte Truppe und irgendwer musste den Mist eben schleppen und das ganze war lediglich eine geschickte Tarnung, eine List, die ich nicht durchschaute?
Nun, ich glaube nicht. Und als die Ladies mit mir zusammen am Hauptbahnhof ausstiegen war ich kurz versucht ihnen viel Spaß zu wünschen. Aber dann ließ ich es lieber bleiben, sie hatten mit sich selbst schon genug zu tun. Und ich meine, hey, vielleicht wurde es später ja noch richtig witzig und mir wurde während unserer gemeinsamen Busfahrt einfach nicht klar in welchem besonderen Verhältnis diese fünf Mädels miteinander verstrickt waren. Dass es speziell sein musste, daran blieb für mich kein Zweifel, dass das Amish Mädchen wirklich den Alkohol in ihrer Reisetasche trug, davon gehe ich allerdings nicht wirklich aus.
Witzig wie Menschen zueinander finden, oder? Ich für meinen Teil konnte keinen besonderen Gruppenzusammenhalt ausfindig machen und muss der Star-Cheerleaderin wahrscheinlich in gewissem Maße auch hoch anrechnen, dass sie sich bemühte die Fahne und das Gespräch konsequent oben zu halten.
Und so wage ich zum Abschluss folgende These aufzustellen: Werden Junggesellenabschiede bald der Vergangenheit angehören? Brauchen wir den wilden Firlefanz noch der den Mauerblümchen vermittelt sie müssten so richtig aus sich herausgehen um dazuzugehören und den ohnehin schon extrovertierten Diven noch mehr Präsentationsfläche bieten um sich selbst zu beweihräuchern?
Oder war das einfach nur eine ganz spezielle Gruppe die ihresgleichen sucht? Und ist die ganze Welt nicht voll von ganz speziellen Menschen die ihresgleichen suchen? Und wenn wir in dieser Welt voll von speziellen Menschen die ihresgleichen suchen jemanden finden der uns gleicht und mit dem wir gut leben können, können wir uns dann nicht ganz besonders glücklich schätzen? Brauchen wir dann wirklich einen Junggesellenabschied um den Abschied von dieser Suche zu feiern? Oder sollten wir uns vielmehr auf das besinnen was vor uns liegt und vielleicht ein ganz neues Fest erfinden auf dem sich jeder wohl fühlen kann und sich keiner genötigt fühlt ein Blumenhaarband, ein Bridesmaid-T-Shirt oder eine viel zu schwere Reisetasche tragen zu müssen.
Wie in so vielen Bereichen des Lebens liegt es an uns selbst etwas zu verändern. Und sollte ich wirklich irgendwann in die Versuchung geraten eine Art Junggesellinnenabschied feiern zu wollen, dann wird das Fest nicht nur einen anderen Namen tragen sondern auch nicht an vermeintlich strikt einzuhaltende JGA-Regeln und strenge Ablaufpläne geknüpft sein.
In diesem Sinne: Enjoy this very friday, lovers. You never know what the night will bring. Maybe he will put a ring on it.
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